Die magische Zeit der Rauhnächte

Die magische Zeit der Rauhnächte

Janina-Simone Henschel

 

Zwischen den Jahren: Die magische Zeit der Rauhnächte

Wenn der Weihnachtszauber langsam verblasst, die Welt stiller wird und auch die Kekse langsam weniger werden, dann beginnt sie: die Zeit zwischen den Jahren. Die Rauhnächte. Eine Phase, in der das Jahr innehält, die Grenzen zwischen den Welten dünner werden und wir die Gelegenheit bekommen, uns selbst und dem Leben wieder ein Stück näher zu kommen.

Woher die Rauhnächte kommen

Die Rauhnächte sind eine mystische Zeitspanne von zwölf Nächten, die „außerhalb der Zeit“ liegen. Ihre Entstehung hängt mit einer kleinen, aber bedeutenden Lücke im Kalender zusammen: Das Mondjahr dauert nur 354 Tage, das Sonnenjahr dagegen 365. So klaffen elf Tage und zwölf Nächte dazwischen. Eine Zwischenzeit, die weder zum alten noch zum neuen Jahr gehört. Und genau diese Zeit galt in alten Kulturen als magisch, unberechenbar, ja fast gefährlich.Wann die Rauhnächte beginnen, ist regional unterschiedlich.

Viele feiern sie ab der Wintersonnenwende, also vom 21. auf den 22. Dezember, wenn mit dem Fest Yule das Licht langsam zurückkehrt. In dieser Zählung endet die letzte Rauhnacht in der Nacht vom 1. auf den 2. Januar. Andere beginnen sie erst mit der Weihnachtsnacht, also vom 25. auf den 26. Dezember, und beenden sie am Dreikönigstag vom 5. auf den 6. Januar.

Die Wurzeln dieses vermeintlich lange tradierten Brauchtums lassen sich leider kaum durch Quellen belegen. Unklar ist, ob die Rauhnächte also germanische, keltische, römische oder christliche Ursprünge haben.  Im frühen Christentum war selbst die Geburt Jesu keineswegs so eindeutig, wie es die moderne Weihnachtstradition mit der Nacht vom 24. Dezember auf den 25. Dezember nahelegt. So existieren vor dem vierten Jahrhundert keine schriftlichen Quellen christlicher Autoren, die dieses Datum erwähnen. Spekuliert wird, ob Kaiser Konstantin im 4. Jhd. die Geburt Jesu mit dem heidnischen Julfest zusammengeführt hat.

Das Julfest war ein mehrtägiges Fest in germanisch-nordischen Kulturen, das den Mittelpunkt des Winters markierte, also Midwinter, und ursprünglich nicht exakt mit der Wintersonnenwende zusammenfiel. Je nach Region und Kalender fand es zwischen Ende Dezember und Mitte Januar statt. In  Skandinavien z. B. wurde „Jól“ laut altnordischen Quellen (z. B. Snorri Sturluson, Heimskringla) rund um den 12.–13. Januar gefeiert. Es war ein Opfer- und Trinkfest, bei dem man den Göttern (insbesondere Odin/Wotan) für das Überstehen des Winters dankte und um Fruchtbarkeit bat.

Erst im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Lesart, dass die Rauhnächte aus einem vorchristlichen, germanischen Sonnenwendfeste entstanden seien, das später durch die christlichen Kirchen einverleibt und umgedeutet wurde. Denn in dieser Zeit begann die Volkskundeforschung aufzublühen, und das Interesse an den heidnischen Ursprüngen christlicher Feste nahm spürbar zu. Alte Bräuche wurden gesammelt, neu interpretiert oder romantisiert, oft mehr aus kulturhistorischem Interesse als aus gelebter Tradition heraus. Wann, wo und in welcher Form die Rauhnächte tatsächlich gefeiert wurden, lässt sich daher kaum eindeutig rekonstruieren. Sicher ist nur, dass sich die Rituale und Zeiträume regional stark unterschieden.

Das erklärt auch, warum sich in der heutigen Literatur verschiedene Angaben finden, wann die Rauhnächte beginnen und enden. Je nach Quelle, Landschaft oder Überlieferung kann die erste Rauhnacht entweder zur Wintersonnenwende oder zu Weihnachten zählen. Der Brauch, die zwölf Nächte so zu feiern, wie wir es heute kennen, ist also eine vergleichsweise moderne Entwicklung, doch das schmälert seine Bedeutung keineswegs. Im Gegenteil: Gerade in unserer schnelllebigen Zeit bietet diese magische Spanne zwischen den Jahren die wunderbare Gelegenheit, innezuhalten, sich nach innen zu wenden und bewusst in Reflexion und Einkehr zu gehen.

Woher der Name kommt

Auch der Name „Rauhnacht“ gibt Rätsel auf. Eine mögliche Deutung verweist auf den alten Brauch des Räucherns (von „Rauch“) – Haus, Hof und Stall wurden in dieser Zeit mit Kräutern wie Salbei, Wacholder oder Beifuß ausgeräuchert, um böse Geister zu vertreiben und das neue Jahr zu segnen.

Eine andere Erklärung stammt vom mittelhochdeutschen Wort rûch, das „pelzig“ oder „haarig“ bedeutet. Es bezieht sich auf die felltragenden Gestalten, Dämonen und Geisterwesen, die nach dem Volksglauben in diesen Nächten umherzogen, ein Bild, das sich bis heute in alten Sagen erhalten hat.

Die Wilde Jagd

Ein besonders eindrucksvolles Motiv dieser Zeit ist die Wilde Jagd. In stürmischen Winternächten, besonders während der Rauhnächte, soll sie über Himmel und Land fegen: ein gespenstischer Zug aus Geistern, Ahnen und übernatürlichen Wesen, angeführt von Odin (Wotan) oder, in den Alpen, von der Göttin Perchta.

Man erzählte sich, dass sich die Wilde Jagd mit donnerndem Lärm, Pferdegetrappel und Wolfsgeheul ankündigt. Wer ihr begegnete, sollte besser den Kopf einziehen, denn solche Begegnungen galten als Vorzeichen für Tod, Veränderung oder Umbruch.

Besonders gefürchtet war es, in diesen Nächten Wäsche draußen aufzuhängen. Die flatternden Leintücher könnten sich in der Jagd verfangen, hieß es, und würden dann im neuen Jahr als Leichentücher zurückkehren. Andere glaubten, die weiße Wäsche locke die Geister an. Auch wenn heute kaum jemand mehr an die Wilde Jagd glaubt, halten manche den Brauch bis heute aufrecht, einfach, um das alte Wissen und seine Magie zu ehren.

Die Wilde Jagd erinnert uns an die wilde, ungezähmte Kraft der Natur und an den ewigen Kreislauf von Leben, Tod und Neubeginn.

Die Rauhnächte heute

Heute sind die Rauhnächte eine Einladung zur Achtsamkeit. Eine Zeit, um das vergangene Jahr zu verabschieden, Ballast loszulassen und das Neue bewusst zu begrüßen. Viele erleben diese zwölf Nächte als Tage der Stille, des Rückzugs und der inneren Reinigung.

Man sagt, jede Rauhnacht steht für einen Monat des kommenden Jahres. Die erste Nacht (vom 21. auf den 22. oder 25. auf den 26. Dezember, je nach Zählung) steht für den Januar, die zweite Nacht für den Februar und so weiter, bis zur zwölften Nacht, die für den Dezember des nächsten Jahres steht.

In diesen Nächten wird gerne orakelt, um eine symbolische Vorschau auf das kommende Jahr zu bekommen. Du kannst dafür Tarotkarten ziehen, Runen werfen, pendeln oder andere Divinationsmethoden verwenden.  In der ersten Nacht für den Januar, in der zweiten für den Februar und so weiter. Die Idee dahinter: Was sich in dieser Nacht zeigt, in Gedanken oder Zeichen, trägt die Energie des jeweiligen Monats.

Ebenso beliebt ist das Träumedeuten. Man sagt, dass Träume in den Rauhnächten besonders klar und bedeutungsvoll sind. Wer sie morgens aufschreibt, kann darin Hinweise, Themen oder Stimmungen für das neue Jahr erkennen.

Auch das Räuchern gehört fest in diese Zeit. Es reinigt Räume und Energie, hilft beim Loslassen und schafft Platz für Neues. Viele räuchern an bestimmten Nächten: an Heiligabend zur Reinigung, zu Silvester für den Neubeginn und an Dreikönig zur Segnung.

Und natürlich darf das Innehalten nicht fehlen. Tagebuch schreiben, meditieren, Musik hören, Kerzen anzünden, dankbar zurückblicken. All das gehört zum Zauber der Rauhnächte.

Das Ritual der 13 Wünsche

Eines der bekanntesten Rituale dieser Zeit ist das der 13 Wünsche. Es ist einfach, kraftvoll und wunderschön, weil es Achtsamkeit, Vertrauen und Magie miteinander verbindet.

Vor Beginn der Rauhnächte nimm dir einen Moment Zeit. Atme tief durch, geh in dich, und lausche: Was wünschst du dir wirklich? Nicht, was „vernünftig“ wäre, sondern was dein Herz flüstert. Dann schreib dreizehn Herzenswünsche auf kleine Zettel. Wünsche, die positiv formuliert sind, etwa „Ich wünsche mir Gesundheit“ statt „Ich möchte nicht krank sein“.

Falte die Zettel, mische sie, und lege sie in eine Schale. In jeder der zwölf Rauhnächte ziehst du intuitiv einen Zettel, liest ihn nicht, sondern verbrennst ihn und übergibst den Wunsch dem Universum in Dankbarkeit und Vertrauen, dass er sich erfüllen darf.

Am Ende bleibt ein Zettel übrig. Der dreizehnte. Das ist der Wunsch, um den du dich im neuen Jahr selbst kümmern darfst, dein persönlicher Auftrag vom Universum.

Und dann gibt es noch den ewigen Streitpunkt zu den 13 Wünschen: Soll man die Wünsche zusätzlich irgendwo notieren oder nicht? Manche sagen ja, um später zu reflektieren, welche sich erfüllt haben. Andere sagen nein, weil das Festhalten an den Wünschen das eigentliche Loslassen verhindert. Letztlich entscheidest du selbst, was sich für dich richtig anfühlt.

Ein paar letzte Gedanken

Die Rauhnächte sind keine starre Tradition, sondern eine Einladung. Du darfst sie gestalten, wie sie zu dir passen. Vielleicht mit Tee und Räucherwerk, vielleicht mit Tarot und Tagebuch. Vielleicht einfach mit Stille.

Wichtig ist nur, dass du dir diese magische Zeit erlaubst, als bewussten Zwischenraum zwischen Altem und Neuem. Denn manchmal liegt genau in dieser Pause der Anfang von allem.

Tipp von mir:

Räuchern mit einer passenden Räuchermischung, zum Beispiel mit unserer Räuchermischung Rauhnacht. 

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